Kapitel 3.1
Prototypefund
Förderprogramm für die Entwicklung von Open-Source-Tools und Anwendungen in Bereichen wie Civic Tech, Data Literacy oder Datensicherheit
Eine besonders wichtige gesellschaftliche Herausforderung ist der selbstbestimmte und aufgeklärte Umgang mit der wachsenden Durchdringung unserer Gesellschaft durch neue Technologien, Daten und Algorithmen. Neben guten Werkzeugen auf der Anwendungsebene brauchen wir nachhaltige technische und Kommunikations-Infrastrukturen, die Bürger- und Freiheitsrechte zu wahren – Technologien im öffentlichen Interesse. Freie Informationen helfen dabei, unsere Umwelt zu analysieren und bessere Entscheidungen zu treffen. Dafür bedarf es nicht nur mehr offener Daten, sondern auch digitaler Partizipationsmöglichkeiten. Wie diese aussehen sollen, wissen die digital Engagierten selbst am besten. Für sie gibt es aber bisher in Deutschland kaum Möglichkeiten, ihr Engagement zu professionalisieren oder in Innovationsprozesse eingebunden zu werden.
Öffentliche Fördermaßnahmen in Deutschland richten sich vor allem an Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Ein großer Teil des digitalen Ehrenamts wird jedoch von Einzelpersonen und kleinen interdisziplinären Teams geleistet. Weil diese ihre Projekte nicht konzentriert verfolgen können, kommt ein enormes Innovationspotenzial nicht zum Tragen. Damit überlassen wir als Gesellschaft digitale Angebote den großen Konzernen und wirtschaftlichkeitsorientierter Forschung, fördern Symptome wie Vendor Lock-in und Datensammlungen. Dabei gibt es großen Bedarf an Alternativen.
Spezieller Förderfond:
- Vergabe von Fördermitteln an Einzelpersonen und kleine Teams
- Open-Source-Entwicklung, damit andere an den Ergebnissen teilhaben können/diese weiterverwerten können
- Agendasetting über die Themenschwerpunkte bei den Ausschreibungen und in der Policyarbeit
- Vernetzung von Akteur*innen und Community-Building im Bereich Civic Tech, Data Literacy, Software-Infrastruktur und IT-Sicherheit
- Regierungsinstitutionen / Verwaltungen / Stiftungen: weitere Förderprogramme, die sich an den Bedürfnissen der Zielgruppe orientieren
- Community: mehr Einzelpersonen nehmen die Arbeit an gesellschaftsrelevanten Inhalten und Projekten auf
- Gesellschaft: Es gibt mehr Tools, Anwendungen und technische Infrastruktur, die Nutzer*innen einen emanzipierten und aufgeklärten Umgang mit Daten, Information und Kommunikation ermöglichen
- Ziel: Digitale Anwendungen, Werkzeuge und Infrastrukturen, die einen mündigen Umgang mit Technologie ermöglichen, die Privatsphäre des Einzelnen schützen und die Selbstbestimmung der Nutzer*\innen stärken; digitale Innovationen, die der Gesellschaft dienen, kurz: Public Interest Tech
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Das Problem
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wenig digitale Innovation aus der breiten Gesellschaft
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wenig finanzielle Förderung von Technologien mit Gemeinwohlansatz
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Mögliche Ursachen
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Mangelnde Ressourcen,
Digitales Ehrenamt ist aufwändig, wird jedoch kaum anerkannt und ist auf gängingem Wege nicht finanzierbar. Das Entwickeln neuer Technologien erfolgt ohnedies oft nach Wirtschaftlichkeits- oder Datenverwertbarkeitsgesichtspunkten.
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fehlende Netzwerke
Es gibt für das digitale Ehrenamt und gemeinwohlorientierte Technologieentwicklung kaum Netzwerke, die sich für eine Verbesserung der Situation einsetzen können.
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und die Dominanz großer Unternehmen
Was angeboten wird, bestimmen derzeit große internationale Unternehmen oder Kapitalgeber. Das Wissen darüber, was benötigt wird und skaliert, liegt bei der Gesellschaft, wird aber nicht einbezogen.
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führen dazu, dass
digitale Innovation in sozialen Bereichen in Deutschland kaum stattfindet und viele Technologien/Werkzeuge in den „Überwachungskapitalismus“ eingebunden sind und somit keine nachhaltigen und sicheren alternativen Infrastrukturen existieren.
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Lösungsansatz
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niedrigschwellige Förderung
Durch einen einfachen Bewerbungsprozess und ein neues, niedrigschwelliges Förderverfahren zeigen wir, dass die Förderung digitaler Innovationen aus der Gesellschaft möglich ist.
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Kompetenzaufbau
Über Coachings in den Bereichen UX/UI tragen wir Wissen in die Open-Source-Community, die auch bei der Umsetzung weiterer Projekte helfen kann.
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Sichtbarkeit
Wir geben (kleinen) Projekten und Prototypen Sichtbarkeit – über unsere Webseite, Medien, Konferenzen und andere Veranstaltungen sowie aktive Vernetzungsarbeit.
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Angestrebte Wirkung
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auf Förderer
Mehr Fördermittel werden niedrigschwellig Einzelpersonen bereitgestellt.
Mehr Mut entsteht, prototypischer Projekte mit geringen Fördersummen zu fördern.
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auf Entwickler\*innen
Fördermittel werden als viable Möglichkeit angesehen, Projekte umzusetzen.
Open Source und User Experience Design als Konzepte werden weiter verbreitet.
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auf die Gesellschaft
Digitales Ehrenamt wird sichtbarer und erfährt mehr Anerkennung.
Mehr Tools, Angebote und Infrastruktur für eine souveräne, digital handlungsfähige, informierte Gesellschaft entstehen.
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gesellschaftliche Wirkung
Digitale Innovation in Deutschland wird befähigt; mehr digitale Tools und sichere Infrastruktur werden für die Gesellschaft geschaffen.
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Was ist 2018 passiert?
Ressourcen
Laufzeit
Das Projekt begann im Mai 2016 und läuft voraussichtlich bis April 2021. Es handelt sich damit für 2018 um eine ganzjährige Laufzeit.
Finanzierung
Das Projekt ist zu 100% vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. Das Budget für 2018 beträgt 2.342.284€.
Personal
Projektleitung: Elisa Lindinger, Julia Kloiber | Kommunikation: Jessica Binsch, Katharina Meyer | Projekt-Management: Adriana Groh, Fiona Krakenbürger, Michael Peters | Controlling: Nadine Evers | technische Administration: Gregor Gilka
Erbrachte Leistungen
- Projektverwaltung und Dokumentation
- Begleitforschung
- Eventmanagement
- Community Building und Aufbau eines Alumni-Netzwerks
- Betreuung der geförderten Projekte
- Vermittlung von Coachings
- Vernetzung
- Öffentlichkeitsarbeit: Social Media, Produktion eigener Inhalte
- Vorträge auf Konferenzen
- Agendasetting via Themenschwerpunkte und Auswahlprozess
Output
- 200 Projekte wurden und werden gefördert
- 400 Personen sind im Alumni-Netzwerk aktiv
- Knowledge Base steht frei zur Verfügung
- 6 Zwischenberichte
- 1 Abschlussbericht
- 1 Publikation zu Projektende
- 24 Events (Antragsworkshops, Kick-Off-Workshop und Demo-Day)
- 2 Videos pro Runde
- 8 Blogposts zu den Themenschwerpunkten
- 10 Vorträge auf Konferenzen und Fachveranstaltungen
Outcome
- neue Narrative für Technologien werden geschaffen
- Skill-Aufbau auf Seiten der Geförderten (UX-Design, Projektmanagement etc.)
- Aufbau einer Community und eines Netzwerks
- ein Beispiel für ein neues Ökosystem für erfolgreiche Projektförderung wird gesetzt
- der Fund ist Vorbild und Aspekte werden von anderen Förderern aufgegriffen
Impact
- soziales Engagement wird nachhaltig und mehr soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit entsteht
- mehr nutzerfreundliche und sichere Technologieentwicklungen
- Kulturwandel im Fördersystem wird herbeigeführt:
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Förderung für Civic-Tech-Projekte und kleine Teams
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Förderung von technischer Infrastruktur ohne wirtschaftliche Interessen
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Evaluation
Der Prototype Fund ist ein Forschungsprojekt, das die Frage beantworten will, wie neue Zielgruppen für öffentliche Fördergelder erschlossen werden können und wie die öffentlichen Fördermaßnahmen so angepasst werden können, dass sie für neue Zielgruppen auch viabel sind. Im Zuge der aktuellen Diskussion über Innovationsförderung sind Einzelpersonen und kleine Teams die Zielgruppe des Prototype Funds, für die es bisher keine niedrigschwellige öffentliche Förderung gibt. Der Prototype Fund richtet sich gezielt an Softwareentwickler*innen und kleine, interdisziplinäre Teams, die gesellschaftliche Themen vorantreiben. In der Begleitforschung evaluieren wir jede Förderrunde in den Bereichen Outreach, Bewerbungs- und Bewertungsprozess sowie mit Blick auf die Umsetzungsphase und passen von Runde zu Runde die Modalitäten weiter an. Besonders hervorzuheben ist hier der Anstieg der Förderquote von 60% auf 95%, wodurch sich der notwendige Eigenanteil für die Projekte deutlich verringert hat. Geförderte Projekte erhalten UX-Coachings, um auf die jeweilige Zielgruppe angepasst und besser für sie nutzbar zu werden. Die Coachings wurden von den geförderten Projekten durchweg positiv evaluiert. Zusätzlich dazu wollen wir nun auch Coachings in den Bereichen Kommunikation und Außendarstellung sowie Finanzen anbieten.
Ausblick
Der Prototype Fund braucht pro Call mindestens 75 Einreichungen, um fortgeführt zu werden. Mit Blick auf die bisher hohen Einreichungszahlen müssen wir um die Fortführung nicht fürchten. Aufgrund des großen Rücklaufs den ersten beiden Runden wurde das Projekt im Sommer 2017 um zwei Jahre und vier weitere Runden verlängert. Deshalb legen wir ein Augenmerk darauf, mit jedem Call neue Zielgruppen anzusprechen und das Feld der Einreichenden zu diversifizieren.